Wann und wo ist die Milchstraße am besten sichtbar?
Zuerst muss man herausfinden, wo die Milchstraße von der Erde aus gesehen überhaupt ist. Dazu eignet sich das kostenlose Programm Stellarium hervorragend. Einfach bevor man loslegt schauen, wo genau sie sich befindet und los gehts. Falls man moderner Technik nicht traut: Richtung Sternbild Schütze schauen.
Wohnt man wie ich im Ruhrgebiet oder anderen großen Städten muss man ein ganzes Stück weit außerhalb fahren, um überhaupt eine Chance zu haben, die Milchstraße sehen zu können. Generell gilt: Je weiter weg von der Zivilisation desto besser, da kein Licht von der Erde den Himmel verunreinigen soll. Also ab in die Pampa!
Außerdem muss es natürlich eine sternenklare, unbewölkte Nacht sein – am besten sogar ohne Mond, da auch dessen Licht den Himmel "verschmutzt"!
Grundsätzliches Prinzip
Grundsätzlich geht man so vor, dass man viele, einzelne Bilder macht und diese später am Computer übereinander legt. Dazu gibt es verschiedene Softwares – viele davon kostenlos. Doch dazu später mehr. Die Idee dahinter ist, dass so quasi eine "Ultralangzeitbelichtung" entsteht, die Sterne oder Strukturen im Nachthimmel, die man mit bloßen Auge nicht erkennen würde, sichtbar macht.
Grundsätzlich gilt: Je mehr Aufnahmen gestapelt werden, desto besser. Durch das Stapeln wird das Bild aber nicht etwa heller, weshalb obige Bezeichnung als "Ultralangzeitbelichtung" auch eigentlich nicht korrekt ist. Der Vorteil davon die Bilder zu "stacken" besteht jedoch darin, die sogenannte SNR (Signal-Noise-Ratio) zu erhöhen. Das bedeutet, dass das Bildrauschen (Noise) möglichst vollständig herausgerechnet wird, sodass sich das Signal (also die wirkliche Bildinformation, z.B. Sterne) deutlicher vom Hintergrund abhebt. Das Ergebnis ist also ein klareres, rauschärmeres Bild, aus dem in der Nachbearbeitung mehr herausgeholt werden kann.
Anfangs ist die Verbesserung der SNR pro zusätzlichem Bild – also der Nutzen eines jeden zusätzlichen Fotos – sehr viel höher, als mit zunehmender Anzahl selbiger. Möchte man 5 Bilder stapeln wäre der Nutzenzuwachs eines 6. Bildes also um einiges größer, als wenn man statt 20 Bilder 21 verwendet. Es macht also nur begrenzt Sinn sehr, sehr viele Bilder zu stacken, auch wenn die Bildqualität mit höherer Anzahl grundsätzlich ansteigt.
Wieso nicht einfach im Bulb-Modus mehrere Minuten belichten?
Sensorgrlühen
Das hat mehrere Gründe. Erstens kann so das sogenannte Sensorglühen auftreten: Da der Sensor einer Kamera – im Gegensatz zum menschlichen Auge – u.A. auch für Infrarotlicht empfindlich ist, kann sich die in einer Kamera bei zu langer Belichtungszeit auftretende Wärmestrahlung auf das Bildergebnis als roter Fleck auswirken. Das nennt man Sensorglühen. Neben zu langer Belichtugnszeit verstärken ein hoher ISO-Wert und hohe Außentemperaturen das Problem.
Hotpixel
Zweitens kann das Problem der Hotpixel auftreten: Durch Produktionsfehler nehmen einige Pixel des Sensors einer bzw. jeder Kamera bei zu langen Belichtungszeiten das Licht nicht proportional auf: Soll heißen, sie erscheinen viel zu hell und das Bild ist am Ende mit störenden Punkten übersät. Auch hier spielen ISO-Wert und Außentemperatur eine Rolle. Allerdings können Hotpixel bis zu einem gewissen Grad später beim Stacken der Einzelaufnahmen herausgerechnet werden. Funfact: Das Muster der Hotpixel einer Kamera ist individuell verschieden wie ein Fingerabdruck und wird u.A. in der Forensik genutzt.
Sternkreise
Der dritte und wohl deutlichste Grund dafür, nicht einfach ewig zu belichten, ist die Bewegung der Erde im Verhältnis zu Sternen und Himmelskörpern. Da die Erde um sich selbst rotiert verändern die Sterne am Nachthimmel ihre Position: Bei zu langer Belichtungszeit würden die Sterne also nicht als Punkte sondern als Striche im Bild erscheinen. Bewegungsunschärfe eben.
Das ist zwar meist unerwünscht, kann aber auch mit voller Absicht für das resultierende Foto genutzt werden. Hier einige Beispiele dafür. Dazu wird auf einen Fixstern – also einen, der sich relativ zur Erde nicht bewegt – fokussiert. Alle anderen Sterne ziehen durch die Bewegung während der Belichtung Kreise. Das ist jedoch ein anderes Thema.
Dark-, Bias und Light-Frames
Light-Frames
Light-Frames sind diejenigen Bilder, welche auf normale Art und Weise belichtet wurden und die später gestapelt den Hauptanteil am fertigen Bild des Sternenhimmels bzw. der Milchstraße haben. Es handelt sich also um einfache Langzeitbelichtungen z.B. der Milchstraße. Links ist ein einzelner, ungestapelter Light-Frame eines anderen Bildes zu sehen – unten rechts sind Ansätze der Milchstraße erkennbar.
Doch wie viele Light-Frames sollte man nun machen? Darüber gehen die Meinungen zwar auseinander, jedoch sollten mindestens so viele Light-Frames wie Dark-, Bias- und Flat-Frames vorhanden sein; eher mehr. Ich mache meist um die 30.
Dark-Frames
Da die CCD- bzw. CMOS-Sensoren heutiger DSLRs ein sogenanntes Dunkelrauschen erzeugen benötigt man Dark-Frames um ebendieses aus dem Bild herausrechnen zu können. Dark-Frames enthalten nur diese Störsignale, aber keinerlei Bildinformation. Die Ausprägung des Dunkelrauschens hängt 1. von der Außentemperatur, 2. dem verwendeten ISO-Wert und 3. der Belichtungszeit ab.
Daraus folgt, dass Dark-Frames am besten gemacht werden, indem man mit gleicher Belichtungszeit und ISO-Einstellung und bei denselben Außenbedingungen – also am besten direkt nachdem man die Light-Frames gemacht hat – einige Aufnahmen mit verschlossenem Objektiv macht. 15 Stück sollten okay sein.
Bias-Frames
Auch beim Auslesen des Bildes entsteht eine Art Bildrauschen. Um auch dieses aus den Light-Frames entfernen zu können benötigt man die Bias-Frames: Hierbei spielt Außentemperatur jedoch keine Rolle.
Bias-Frames werden ebenfalls mit geschlossenem Objektiv gemacht – jedoch mit der kürzestmöglichen Belichtungszeit. Der ISO-Wert muss aber mit dem der Light-Frames übereinstimmen. Wo und wann ist hierbei egal, so dass man sie auch bequem zuhause machen kann. Wie viele? Auch hier sollten ca. 15 Stück ausreichen.
Flat-Frames
Bleiben noch die Flat-Frames. Diese benötigt man, um u.A. die Vignettierung des verwendeten Objektivs entfernen zu können.
Flat-Frames kann man erstellen, indem man das Objektiv z.B. mit weißem Stoff straff abdeckt. Die Belichtung wird so eingestellt, dass mit +/- 0 EV belichtet wird (also z.B. einfach in den Av-Modus gehen). Die ISO-Einstellung sollte derjenigen der Light-Frames gleichen. Lage und Fokussierung der Kamera dürfen nicht verändert werden – Flat-Frames macht man also am besten unmittelbar nach den Light-Frames. Auch hier sind ungefähr 15 Bilder okay.
Welche Kamera-Einstellungen sind die richtigen?
Generell sollten die kleinstmögliche Blendenzahl (also die größtmögliche Blendenöffnung) und die längstmögliche Belichtungszeit eingestellt werden, die noch möglich sind, ohne dass die Himmelskörper Striche statt Punkte bilden. Als Faustregel kann man hier folgende Formel benutzen:
Zeit = 500 / 1,6 * Brennweite (für APS-C-Kameras) bzw. Zeit = 500 / Brennweite (für Vollformat-Kameras)
Daraus ergibt sich, dass sich weitwinklige und lichtstarke Objektive am besten eignen. Ich selbst nutze ein 15mm-Objektiv mit einer Lichtstärke von f/2.8.
Die ISO sollte ebenfalls recht hoch eingestellt werden und möglichst viele Himmelskörper auf das Bild zu bekommen – auch wenn man diese mit bloßem Auge evtl. nicht erkennen kann. Ich habe meist einen ISO-Wert von 1600 verwendet.
Mögliche Einstellungen mit einem 15mm-Objektiv wären also: 20 Sekunden, f/2.8 und ISO 1600. Fokussiert wird natürlich auf unendlich.
Achja: Wenn ihr die Funktion Spiegelvorauslösung an eurer Kamera aktiviert, macht ihr sicher nichts falsch, da so etwaige Vibrationen verhindert werden und damit eine mögliche Unschärfequelle abgestellt ist. Wer ganz sicher sein will, kann zusätzlich einen Funkauslöser benutzen (kostet ca 10 Euro). Viele Kameras haben außerdem die Funktion Intervallaufnahmen, so dass z.B. eure Light-Frames automatisch hintereinander gemacht werden können und ihr nicht jedesmal einzeln den Auslöser drücken müsst.
Nachbearbeitung
Das Thema Nachbearbeitung soll hier nur sehr kurz angerissen werden. Grundsätzlich kann ich jedoch das kostenlose Programm DeepSkyStacker sehr empfehlen. Hier müsst ihr einfach eure Light-, Dark-, Bias- und Flat-Frames in die dafür vorgegeben Felder einfügen und los geht es. Außerdem empfiehlt das Programm automatisch die geeignetste Stacking-Methode – es gibt nämlich viele verschiedene.
Das Resultat kann z.B. als .tif-Datei ausgeben werden, die man in Programmen wie Photoshop o.Ä. hervorragend bearbeiten kann. Mit Dodge & Burn, Gradiationskurven und Histogrammkrorrekturen etc. lässt sich aus den gestapelten Bildern oft sehr, sehr viel herausholen, auch wenn es erst nicht so aussehen mag.
Da sich die Sterne relativ zur Erde in Bewegung befinden, sind sie jeweils ein Stückchen verschoben auf den verschiedenen Light-Frames. Beim Stapeln, werden diese nun jeweils automatisch so ausgerichtet, dass die Sterne wieder exakt übereinander liegen. Daraus ergibt sich, dass der Vordergrund nun nicht mehr perfekt übereinander passt.
Lange Rede kurzer Sinn: Der Vordergrund für das endgültige Bild muss aus einer einzelnen Aufnahme stammen und nachträglich eingefügt werden.
Zusammenfassung des Workflows
Bonus 1: Solltest du neben der Fotografie der Milchstraße und des Sternenhimmels auch allgemein an Nachtaufnahmen interessiert sein, kann ich Dir folgende umfassende Anleitung für die perfekte Nachtaufnahme nur wärmstens ans Herz legen.
Ich hoffe der / die ein oder andere hat Lust bekommen das Ganze auch mal zu probieren, gerade in Sommernächten stehen die Chancen nicht schlecht, die Milchstraße tatsächlich zu erwischen. Ansonsten: Kritik? Anmerkungen? Immer raus damit!
Bonus 2: Diese Anleitung gibt es nun auch als E-Book zum Download und Ausdrucken – natürlich kostenlos.
Viel Spaß beim Ausprobieren!
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