Vollformat? APS-C? Bitte was?!
Viele werden um den Unterschied wissen – ihr könnt diesen Abschnitt einfach überspringen ;) Für alle anderen: Bei jeder digitalen Kamera entsteht das Bild dadurch, dass das Licht – solange der Spiegel hochgeklappt ist – auf den dahinterliegenden Lichtsensor fällt. Diese Sensoren unterscheiden sich in ihrer Größe: Siehe Bild, die Dimensionen sind originalgetreu.
Die mit Abstand meisten heutigen DSLRs haben einen APS-C-Sensor verbaut, einige Profi- und Semiprofimodelle größere Vollformatsensoren. Letztere sind also größer als ein APS-C-Sensor: Sie weisen dieselben Maße wie der frühere Kleinbildfilm auf und werden deshalb auch oft Kleinbildsensoren genannt. Der Knackpunkt: Durch ihre Größe kann mehr Licht auf sie fallen, woraus sich einige wichtige Unterschiede ergeben.
Selbstverständlich gibt es noch weitaus kleinere und größere Sensoren: So benutzen viele kleine Digital- oder Handykameras einen Sensor im Format von etwa 6 x 4,5mm. Am anderen Ende gibt es Mittelformatkameras – z.B. von Hasselblad für läppische 25.000 Euro – welche noch größere Sensoren beinhalten, oder gar sogenannte Großformatkameras.
Weitere Infos bzgl. der Beziehung von Sensorgröße und Auflösung gibt es hier.
Mehr Licht mit der Vollformat?
Da – wie aus dem obigen Bild ersichtlich – der Sensor einer Vollformatkamera etwa 1,6 mal breiter und höher ist, als ein APS-C-Sensor (Ursprünglich Advanced Photo System – Canon), fängt dieser auch mehr Licht ein. Um genauer zu sein: Ungefähr eine Blendenstufe mehr (hier wäre der Faktor 1,41, nicht 1,6).
Hieraus ergibt sich, dass eine Kleinbildkamera im High-ISO-Bereich um einiges rauschärmere Bilder liefert als ihre Gegenspielerin. Einfach mal auf Snapsort eine beliebige Vertreterin beider Klassen vergleichen. Beispielsweise die D7100 und die D810 von Nikon.
Freistellung und Portraits
Außerdem ist das Freistellungspotenzial einer Fullframe-Kamera höher. Der Hintergrund wird also unschärfer, was z.B. bei Portraits oft gewollt ist. Wegen des größeren Sensors fällt nicht nur mehr Licht darauf, auch der Freistellungseffekt ist um etwa eine Blende stärker ausgeprägt. Wenn dies gewollt ist, kann es durchaus als Vorteil gewertet werden. Möchte man jedoch den Schärfebereich gleich groß halten, wie er – bei gleichen Kameraeinstellungen und gleichem Objektiv – an einer APS-C-Kamera wäre, muss man auch eine Stufe weiter abblenden: Womit der Vorteil, dass eine Vollformatkamera eine Blende mehr Licht aufnimmt, neutralisiert wird und damit dahin ist.
Verzichtet man auf diesen Ausgleich, oder möchte den geringeren Schärfebereich und damit mehr Freistellung gar absichtlich haben, nimmt die Vollformatkamera tatsächlich "eine Blende mehr Licht" auf und ist somit, z.B. auch für das Fotografieren bei schlechtem Licht besser geeignet. Außerdem rauscht sie bei hohem ISO-Wert generell weniger. Bei wenig Umgebungslicht ist die Performance also besser.
Der Crop-Faktor: 1,6
An einer Vollformatkamera wirkt ein und dasselbe Objektiv "weitwinkliger": Dies kommt daher, dass ein Vollformatsensor einen größeren Teil des Bildkreises eines Objektivs abdeckt. Verwendet man aber z.B. ein Objektiv mit 24mm an einer APS-C-Kamera und eines mit 36mm an einer Kleinbildkamera, wird dieser Unterschied nahezu hinfällig – es gibt trotzdem noch einige kleinere Unterschiede im Bildwinkel, aber das würde an dieser Stelle zu weit führen. Fotografiert man also meist im Weitwinkelbereich und möchte z.B. auf jeden Fall das Nikkor 24-70mm f/2.8 benutzen wäre eine Kleinbildkamera eine gute Wahl. Oder man nimmt einfach eine APS-C-Kamera und ein 18-50mm-Objektiv.
Objektive mit gleicher Brennweite wirken im Umkehrschluss an APS-C-Kameras also so, als ob sie etwa 1,6 mal länger wären. Aus 18mm werden also ca. 28mm, aus 100mm ungefähr 160mm usw. Das rührt daher, dass ein kleinerer Teil des Bildkreises abgedeckt wird und so der Eindruck einer längeren Brennweite entsteht. Es ist also nicht wirklich eine Brennweitenverlängerung, was in der Praxis jedoch vernachlässigbar ist. Objektive an Kleinbildkameras sind also salopp gesprochen etwa 1,6 mal länger bzw. an APS-C-Kameras 1,6 mal kürzer.
Das wichtigste: Die Bildqualität
Ein anderer wichtiger Vorteil von Vollformatkameras ist ihre bessere Bildqualität. Wie bereits beschrieben ist die Bildqualität im Bereich hoher ISO-Zahlen besser, aber auch die Farbtiefe (gemessen in Bit) und Dynamic Range bzw. der Dynamikumfang ist besser. Die Farbtiefe gibt an, wie viele verschiedene Farben eine Kamera unterscheiden kann. Ein Bit mehr bedeutet hierbei doppelt so viele Farbabstufungen. DIe Farbtiefe ist vor allem bei Portraits wichtig.
Die Dynamic Range wird in EV (Blendenstufen) gemessen und bezeichnet die Spanne von Hell bis Dunkel die von der Kamera zwischen hundertprozentigem Schwarz und Weiß erkannt wird. Hoher Dynamikumfang ist hierbei natürlich wünschenswert. Niedriger könnte bedeuten, dass z.B. bei einem Foto eines Sonnenuntergangs der Himmel zu 100% weiß und der Boden zu 100% schwarz ist. Auch hier kann man ja mal Snapsort bemühen. Wie schon kurz angerissen, ist die die Spanne des Dynamikbereichs vor allem für Landschaften, Sonnenuntergänge und generell kontrastreiche Bilder relevant.
Auch wenn die Bildqualität von Vollformatkameras oft um einiges besser ist, ist die von kleineren Kameras meiner Meinung nach fast immer vollkommen(!) ausreichend. Viel ausschlaggebender sind die Objektive! Eine Vollformat mit schlechtem, niedrigauflösendem Objektiv wird z.B. niemals schärfere Bilder machen, als eine kleinere mit guter Linse!
Der Vollständigkeit halber: Die Bildqualität hängt eigentlich eher von der Bauart ab, also davon, ob es sich z.B. um einem CCD- oder CMOS-Sensor handelt. Trotzdem ist sie im Vollformat meist um einiges besser. Dass Vollformatkameras jedoch oft einiges mehr an Megapixel aufweisen, ist jedoch allein der Sensorgröße geschuldet.
Geld, Objektive und Größe
Da Vollformatkameras meist eher für professionelle Anwender konzipiert werden, ist ein angenehmer Nebeneffekt, dass ihre Ausstattung und ihr Funktionsumfang meist auch beutend umfangreicher ist.
Der ausschlaggebendste Nachteil dürfte der oftmals hohe Preis sein. Zwar sind mittlerweile einige günstigere Modelle, wie z.B. die Nikon D600 auf den Markt gekommen, unterm Strich dürften Vollformatkameras jedoch meist etwa doppelt so teuer, wie ihre kleineren Mitbewerber sein. APS-C-Kameras sind einfach viel billiger!
Ein – meiner Meinung nach weniger gravierender – Nachteil ist die Objektivauswahl: An Kameras mit Vollformatsensor können nur Objektive mit ausreichend großem Bildkreis benutzt werden. Diese sind bei Sigma mit DG, bei Tamron mit Di (nicht Di-II!), bei Canon mit EF (nicht EF-S!) und bei Nikon mit FX (nicht DX!) gekennzeichnet.
Außerdem sind Kameras mit kleineren Sensoren – oh Wunder – kleiner! Definitiv ein Vorteil, wenn man nicht gerade eine große Kamera zu Selbstdarstellungszwecken benötigt.
Was denn jetzt?
Falls ihr jetzt verwirrter als vorher seid, hier noch einmal die Unterschiede auf einen Blick:
Die Vorteile einer Fullframe-Kamera
Die Vorteile einer APS-C-Kamera
Wie man sieht, gibt es Argumente für beide Bauarten. Man sollte sich also genau überlegen, was man braucht und ob man wirklich so viel Geld für eine Vollformatkamera ausgeben möchte. Je nachdem was man fotografiert, wie die Lichtverhältnisse sind, wie viel Geld man zur Verfügung hat, muss es jede(r) selbst entscheiden. Passt auf, nichts zu kaufen ohne, ohne es wirklich zu brauchen und so eine Menge Geld in den Sand zu setzen!
Und bei dir so?
Ich benutze momentan die Pentax K-5, früher hochklassig, heute nicht mehr hundertprozentig auf neuesten Stand, von der Bildqualität aber immer noch sehr, sehr gut. Ich bin auch soweit wirklich zufrieden mit ihr.
Da ich jedoch sehr, sehr häufig in schlechten Lichtverhältnissen fotografiere und oft im Weitwinkelbereich bin, spielte ich schon lange mit dem Gedanken zu einer Vollformat zu wechseln. Genauer: Zur Nikon D600 bzw. D610. Dazu sollte es das Nikkor 24-70mm f/2.8 geben. Eigentlich eine super Kombi für mein Einsatzgebiet, nicht?
Denkste! Das 24-70er hat keinen Bildstabilisator und in Nikon-Kameras steckt auch keiner. Da ich aber – eben weil es oft so dunkel ist – häufig an der Grenze zur längstmöglichen Belichtungszeit kratze (beim 15er etwa 1/10 Sek. mit Stabilisator), lasse ich den Wechsel eventuell doch sein. Oder es muss ein anderes Objektiv zur D600 her. Oder eine andere Kameramarke. Oder ich bleibe bei der Pentax. Oder…
Update: Mittlerweile bin ich auf die Nikon D610 umgestiegen, nachdem ich ein unglaublich gutes Angebot erhalten hatte. Dazu benutze ich ein Nikon AF-S 85mm f/1.8 G und ein Tokina AT-X 16-28mm f/2.8 PRO. Es ist der Hammer, vor allem um Portraits zu schießen.
Schon entschieden?
So Freunde, ich wünsche euch noch viel Spaß beim Kopfzerbrechen und werde es euch gleichtun! Sobald ich mich entschieden habe ob – und zu welchem Equipment genau – ich wechsle, werdet ihr es erfahren!
Bonus: Hier geht’s zur Übersicht der Weitwinkel-Objektive fürs Nikon Vollformat FX – natürlich ebenfalls an APS-C-Sensoren nutzbar. Außerdem ist inzwischen auch eine Übersicht der vollformat-geeigneten Portrait-Objektive für Nikon-Kameras – samt ihrer Vor- und Nachteile – erschienen.
Wenn du dir – nicht nur übers Vollformat – eine Übersicht über aktuelle Kameras verschaffen willst, schau am besten hier vorbei!
Habe ich noch ein ausschlaggebendes Pro- oder Contra-Argument vergessen? Wenn ja, lasst es mich wissen! Falls noch jemand Fragen zu diesem oder einem anderen Thema hat: Immer raus damit!
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