Es war ein mal im Ruhrgebiet – in Bochum, zu einer Zeit als es noch ordentlich qualmt, stinkt und scheppert. Es gibt noch Kneipen und man verreckt an „Staublunge“. Die Zechen und Hochöfen laufen auf Hochtouren.
Riesige Abraum- und Schlackehalden prägen die Landschaft – und auf einer davon in Bochum steht ein Stahlwerk. Doch wie dessen ganze Schlacke loswerden?
Funfact: Einige dieser Halden sind sogenannte brennende Halden. Das heißt, dass Kohle in ihrem Inneren irgendwie in Brand geraten ist und teilweise für Jahrzehnte brennt. Allein hier im Ruhrgebiet gibt es sieben Stück davon.
Centralia, das aus Silent Hill bekannte Dorf, wurde übrigens auch wegen einem solchen Kohlebrand verlassen.
Die Schlackebahn unter dem Ex-Stahlwerk in Bochum
1934 dann die Idee: Das Stahlwerk steht ja sowieso auf einer Halde, wieso nicht einfach alles untertunneln und eine unterirdische Schlackebahn bauen? Gesagt, getan. Und da man schon mal dabei ist, baut man neben die Tunnel – die sogar noch auf mehreren Ebenen verlaufen! – direkt noch ein paar Werkstätten, Räume für die Arbeiter und sogar Luftschutzbunker. Jahrzehntelang wird hier die glühende Stahlwerksschlacke verladen und abtransportiert.
In den 1980er Jahren dann Stahlkrise, Werksschließung, tausende Arbeitslose. Die Bochumer Schlackebahn wird nicht mehr gebraucht und man schüttet die Eingänge (zum Gück für uns) nur notdürftig zu. Die Tunnel und Räume aber bleiben erhalten – und schlummern bis heute unter dem Bochumer Park, den wohl viele wie ihre Westentasche kennen und der nun statt dem Stahlwerk hier steht.
An der Oberfläche erinnert nichts mehr an die riesige unterirdische Anlage – nichts, bis auf ein winziges „Fuchsloch“, welches vermutlich tausenden täglichen Parkbesuchern nicht auffällt...
Urban Exploration: Ab unter die Erde
Wir fahren also in Duisburg los und eine halbe Stunde später sind wir da. Es ist Abend und schon dunkel. Der Eingang ist dank gründlicher Vorab-Recherche schnell gefunden und wir zwängen wir uns durch das „Fuchsloch“ hinein. Es erinnert stark an den Eingang der Duisburger OP- und Honigbunker.
Anfangs kann man nicht mal stehen, die Luft ist, wie so oft an unterirdischen verlassenen Orten, warm und feucht. Das erste was wir sehen sind große, rostige Stahlträger unter denen wir hindurch schlüpfen. Dann klettern wir einen Abhang hinunter, schauen uns um und steigen durch ein Loch in einer Wand: Da ist sie, die Schlackebahn. Schon seit Wochen freue ich mich auf diese Exploration.
Was direkt auffällt ist die schiere Größe dieses "Lost Places": Die Hallen sind knapp zwei Stockwerke hoch, die gesamten Stollen einige hundert Meter lang. Wie immer in solchen Anlagen brauche ich ein paar Minuten, bis das unbehagliche Gefühl, dass so tief unter der Erde etwas passieren könnte, verfliegt. Handy-Empfang: Fehlanzeige.
Besonders tolle Motive sind eine Schubkarre, die wohl schon seit Jahrzehnten vor sich hin rostet und die Maschinen, welche quasi unberührt hier unten ruhen. Auch die Spinde der Arbeiter vergangener Zeiten stehen noch. Von der Decke hängen buntstiftdünne, fast einen halben Meter lange Tropfsteine – vermutlich ist aufgrund der Deckenhöhe noch niemand dran gekommen (Foto zum vergrößern anklicken).
In einem kleinen Nebentunnel ist die Decke eingestürzt, ein Verbruch. Leider habe ich verplant ein Foto davon zu machen – shame on me! Nächstes mal, versprochen.
Achja, ich kann die Leute aus einem gewissen Forum, die meinten, dass es dort unglaublich nach Verwesung stinkt, beruhigen: Wir ham nix gerochen.
Nachdem wir uns auf der oberen Ebene alles angeschaut und fotografiert haben, begeben wir uns eine Etage tiefer: Durch einen engen Schacht klettern wir eine Leiter hinunter, nach einem kleinen Vorsprung (Position des Fotos unten) geht es eine weitere, kürzere Leiter hinunter und wir finden uns in einer Art Kanal wieder.
Wenig Sauerstoff im Kanal der Schlackebahn
Der Kanal
Geht man den Kanal entlang, biegt kurz ab und geht noch ein ganzes Stück weiter geradeaus, kommt man zu einer Leiter, welche wieder ein Stück nach oben führt. Dort befindet sich die „zweite Ebene“ der Schlackebahn.
Das Problem: Die Luft unten im Kanal, und vor allem im hinteren Teil der Schlackenbahn, ist alles andere als gut. Nicht nur warm und feucht – wie in der gesamten Anlage – sondern auch sauerstoffarm. Normal sind in der Luft gut 21 Prozent Sauerstoff enthalten – hier unten sind es nur knapp 19 Prozent. An sich nicht lebensbedrohlich, aber da man ohne Messgerät nicht wissen kann, welches Gas den Sauerstoff verdrängt, kann es eben doch böse enden...
Zitat eines Bekannten, der auch schon hier war: Ich habe angefangen zu schwitzen wie in ner Sauna und Kreislauf bekommen, ebenso wie mein Kollege und wir sind beide nicht ganz unsportlich...
Wir machen dort unten ein paar Fotos und klettern wieder raus aus dem Kanal, zurück in die oberen Katakomben der Schlackebahn. Auch wenn man es auf dem Foto nicht wirklich sieht, der Kanal ist so niedrig, dass man nicht mal stehen kann.
Mittlerweile ist es nach 0 Uhr: Nun, nachdem wir gut zwei Stunden in diesem unterirdischen „Lost Place“ herumgekreucht sind und fotografiert haben, machen wir uns auf den Weg zurück nach oben. Zurück laufen, Abhang hochklettern, aus dem Eingangsloch zwängen. Luft.
Wie es weiter geht – Zweiter Teil der Schlackebahn Bochum
Heute ist nicht aller Tage! Wenn wir ein Gasmessgerät oder neue Infos zum Sauerstoffgehalt am Start haben, also sehr bald, fahren wir noch mal hin und schauen uns den Bereich nach dem Kanal an! Bericht und Fotos erscheinen dann natürlich wieder hier.
Neben weiteren Tunneln und alten Loren, welche noch heute rostig auf ihren Schienen schlummern, wartet sogar ein „Frohe Weihnachten“-Graffiti mit einer überaus interessanten, ja vielleicht sogar gefährlichen Geschichte, in einem Luftschutzstollen aus dem 2. Weltkrieg, auf euch. Es gibt wirklich viel zu entdecken in dieser Anlage.
Update: Wir haben inzwischen auch den zweiten Teil der Schlackebahn erkundet – einfach faszinierend, was man dort unten vorfinden kann! Ein Gasmessgerät war auch mit dabei. Fotos, Story und genauere Infos zur Luft dort unten erscheinen hier in Kürze. Lustig wird es ebenfalls. Möchtest du dann eine E-Mail erhalten, klicke einfach hier. Stay tuned!
Update 2: Der Artikel zum hinteren Teil der Schlackebahn ist nun erschienen!
Achja: Neben den Gleistunneln samt aller Nebenräume, Luftschutzbunker und weiterer Katakomben des ehemaligen Stahlwerks, soll es hier sogar Verbindungsstollen zur U-Bahn geben – so munkelt man zumindest; ich persönlich glaube aber nicht daran. Aber: Es gibt in der Halde noch ein anderes, komplettes Luftschutzstollensystem, von dem heute nur die Eingänge zu sehen sind – wenn man weiß wo.
Ich hoffe die Geschichte und die Fotos dieses „Lost Places“ im Herzen des Ruhrpotts haben Spaß gemacht. Falls du auch schon mal dort warst, mehr Informationen, Fotos, oder etwas zu verbessern hast: Schreib mir gern ein Kommentar. Ansonsten: Part 2 kommt bald!
Weiterhin viel Spaß beim Urbexen, liebe Freunde!
P.S.: Schlackenbahn, oder Schlackebahn?
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