Bei unserer letzten Urbex-Tour – die erste dieses Jahres – sind wir nach Immerath bei Erkelenz gefahren: Ein verlassenes Dorf in NRW, welches wohl bald vom Erboden verschwunden sein wird. Verlassen wurde der Ort wegen dem direkt daran angrenzenden Tagebau Garzweiler.
Tagebau Garzweiler
Garzweiler und die Schaufelradbagger
Dabei handelt es sich um ein riesiges, mehrere Kilometer(!) durchmessendes „Loch“ in dem mittels gigantischer Schaufelradbagger Braunkohle für die örtlichen Kraftwerke gefördert wird. Diese Bagger sind bis zu unglaublichen 225m lang und 100m hoch – und damit die größten Landfahrzeuge der Welt.
Ich fand die Ausmaße des Tagebaus und der Schaufelradbagger einerseits extrem beeindruckend, andererseits aber auch ziemlich abstoßend. Krass, wie konsequent die Menschen ihre Umwelt zerstören. Zwar hatte ich vorher schon einiges darüber gelesen, es real zu sehen war aber doch etwas anderes.
„Suizid“ und Sicherheitsdienst
Nach unserer Ankunft sind wir, nach einer kurzen Vorab-Tour durch Immerath, als erstes zum Tagebau selbst gelaufen. Das erste was mir auffiel war, dass man einfach so bis zur Kante des Tagebaus gehen konnte. Also los.
Ab über ein abgeholztes, brachliegendes Feld – bis vor kurzem Stand hier noch das Dorf Pesch – an ein paar Stopp-Schildern vorbei, über einen kleines „Erdwällchen“ und schon standen wir an der Kante. Kein Zaun, kein nix. Das wunderte mich ziemlich, da ja ziemlich viel und auch teilweise militant gegen den ganzen Braunkohlekram protestiert wird und die Schaufelradbagger nicht gerade billig sind.
Da standen wir dann, nur 100 Meter vom riesigen Schaufelrad des Baggers entfernt. Jedoch dauerte es nicht lange, bis hinter uns jemand anfing herumzuschreien. Dort standen dann zwei Wachleute, die uns aufforderten sofort vom Rand des Lochs wegzukommen.
Während der männliche der beiden mehr am grunzen als am reden war, war seine Begleiterin eigentlich ziemlich nett und sagte uns, dass der Baggerfahrer – das Führerhäuschen direkt neben dem Schaufelrad ist auf dem Foto zu sehen – die beiden angefunkt hätte und meinte: „Da stehen schon wieder welche an der Kante und wollen sich umbringen!“
Wir wollten uns natürlich nicht umbringen. Meine Frage, ob dort auf diese Weise tatsächlich schon Leute gestorben sind, wurde allerdings bejaht. Warum dann dort kein Zaun steht, wurde folgendermaßen beantwortet: „Das Land hier gehört immer noch den ansässigen Bauern, deswegen können wir hier keine Zäune bauen.“ Aber den ganzen Ort abbaggern geht? Mh.
Braunkohle, RWE und Umweltzerstörung
Da die Umwelt durch den Braunkohle-Tagebau extrem zerstört wird und Menschen vertrieben werden, hier noch ein paar Infos: Betrieben wird das ganze von RWE, also einem Atom-Konzern. Neben diversen schon im Tagebau Garzweiler verschwundenen oder noch folgenden Orten, wird auch der Hambacher Forst dem Tagebau Hambach (direkt neben Garzweiler) zum Opfer fallen. Hier ein paar sehr sympathisch vorgetragene Infos von den Leuten von #WDR 360.
Außerdem ist mir aufgefallen, dass um den Braunkohleabbau herum überall Windräder standen. Ob sie von RWE zu Promo-Zwecken extra genau dort platziert wurden, weiß ich nicht, könnte es mir aber gut vorstellen. Quasi um den Eindruck zu erwecken, dass sie in Sachen Energiewende eben doch engagiert sind.
Die verlassene Stadt: Immerath
Leerstehende Wohnhäuser und Bauernhöfe
Anschließend sind wir dann zurück zu unserem eigentlichen Ziel: Immerath, die – bis auf wenige letzte Einwohner – verlassene Stadt. Als erstes fiel mir auf, dass der Ort viel größer ist, als ich gedacht habe – z.B. als dieses verlassene Dorf.
Tatsächlich stand fast jedes Gebäude leer – sozusagen ein einziger, großer „Lost Place“: Die Kirche, die Wohnhäuser, eine Textilfabrik. Vor letzterer haben wir dann auch nochmal unsere die grunzende und die nette Bekanntschaft wiedergetroffen.
Über den Dächern von Immerath: Die verlassene Textilfabrik
Viele Häuser sind felsenfest verrammelt, einige mit ein bisschen Mühe zugänglich – natürlich ohne etwas aufzubrechen o.Ä. So auch die örtliche Textilfabrik. Von einer anliegenden Dachterrasse hatte man einen prima Blick über die Dächer von Immerath, bis hin zu den Kirchtürmen (die Kirche selbst war leider absolut dicht).
Auf dem Dachboden der Fabrik haben wir noch ein paar interessante Entdeckungen gemacht: Tonnenweise Fledermaus- oder Taubenkacke, ein mit selbiger bedecktes uraltes Fahrrad und ein paar andere Dinge: Milchkannen, Stühle, passend zur Textilfabrik tausende Knöpfe...
Fazit
Abgesehen von der eigentlich ganz witzigen Begegnung mit dem Sicherheitsdienst von RWE, war es eigentlich ziemlich entspannt. Hier und da über einen Zaun, durch ein offenes Fenster o.Ä. gehüpft und fertig. Immerath war der bisher wohl größte „Lost Place“ den wir gesehen haben – falls man es überhaupt so nennen kann.
Disclaimer: Ja ich weiß, viele „Urbexer“ regen sich über exakte Ortsangaben und Adressen auf, daher schreibe ich sie normalerweise auch nicht. Garzweiler bzw. Immerath ist jedoch frei zugänglich, in jeder Karte verzeichnet und bald im Tagebau verschwunden.
Wahrscheinlich kennen viele, die sich für Urban Exploration interessieren, Immerath bereits, aber wie immer hoffe ich, dass die Bilder und der Artikel gefallen haben! Bei Kritik, Gestänker oder Lob einfach schreiben!
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